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MAX STILLER
SCHWARZE ENGEL
Sie wollen doch nur spielen
Auf einer Kiesinsel der Münchner Isar findet man frühmorgens die Leiche einer jungen Studentin. Als Anne von Feldhaus und Jacob Fuller zum Tatort kommen bietet sich ihnen ein bizarres Bild. Etwas das sie so noch nie gesehen haben. Die junge Frau ist unterhalb der Großhesseloher Brücke mit den Armen nach hinten an einen Brückenpfeiler gefesselt. Bekleidet ist sie nur mit einem kurzen weißen spitzenbesetzten Prinzessinnenkleid und auf dem Kopf trägt sie eine kleine goldene Krone. Man hat ihr beide Pulsadern aufgeschnitten und sie augenscheinlich langsam ausbluten lassen. Was will der Täter mit dieser Inszenierung sagen. Ist es die Einzeltat eines Psychopathen oder erst der Anfang eines nicht enden wollenden Albtraums. Für die beiden Ermittler beginnt ein Höllentrip dem sie schon bald nicht mehr entfliehen können.
Prolog
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München, 20. April 2013
>>Das gefällt dir, du Loser, oder? Na, komm schon, so eine Gelegenheit bekommst du nie wieder. Wir sind alle bereit. Oder traust du dich nicht?<<
Es zog ihm den Magen zusammen. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Sein Körper verkrampfte. Er begann zu wanken. Er hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten. Er versuchte, Spannung in seinen Körper zu bekommen. Trotzdem wurden seine Knie immer weicher. Sie hatten recht, so eine Chance würde er wohl nie wieder bekommen in seinem Leben. Seit fast einem Jahr stellte er sich vor, wie es wäre. Wie viele Nächte hatte er wach gelegen und wie viele Stunden, nein Wochen, Monate hatte er es sich immer wieder vorgestellt. Warum jetzt und warum ich?, dachte er sich. Er begann, am ganzen Körper zu zittern.
>>Sieh nur, wie er zittert! Ist es nicht süß, das kleine, dicke Schweinchen?<<
München, 17. August 2017 ... früher Abend
Wie auf Knopfdruck riss er seine Augen auf und starrte in das helle, gleißende Licht der Neonröhre, die an zwei Drahtseilen von der Decke hing. Es war fast vier Jahre her, dass er seine Augen das letzte Mal geöffnet hatte.
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München, 17. Mai 2018 ... früher Abend
>>Prinzessin, ich dachte, wir verbringen den Abend heute mal wieder gemeinsam. Dein Vater wird gleich hier sein.<<
>>Vergiss es. Ich habe keinen Bock mehr zu warten. Es ist immer das Gleiche. Du kannst ja auf ihn warten, so wie du es schon dein ganzes Leben lang tust. Wenn er mich wirklich sehen will, soll mir sein Gschpusi, äh, seine Assistentin einen Termin mailen.<< Dorothee von Saldern war eine bildhübsche junge Frau im Alter von 26 Jahren. Nach dem Abitur auf einem Elite-Internat in München hatte sie sich an der LMU in München für BWL eingeschrieben. Böse Zungen behaupteten, ihr Vater habe ihr das Abitur gekauft. Er sponserte das Internat mit einer jährlichen sechsstelligen Summe. Aber irgendetwas musste sie ja machen. Dadurch hatte sie zumindest die meiste Zeit Ruhe vor ihrer Mutter. Ihr Vater fragte lediglich in unregelmäßigen Abständen, wie es denn so liefe in der Uni. Nicht mehr und nicht weniger. Wahrscheinlich war es ihm aber egal. Der liebe Gott hatte es augenscheinlich mehr als gut mit ihr gemeint. In jeder Beziehung, nicht nur, was ihr Aussehen betraf. Sie war einen Meter fünfundsiebzig groß und hatte schulterlanges blondes Haar. Obwohl sie zu jeglicher Art von Sport keinerlei Bezug hatte, war ihr Body wie aus dem Lehrbuch. Lange schlanke Beine, eine Wespentaille und ein fester Busen in optimaler Größe. Zu allem Überfluss wurde sie von ihren Eltern auch noch von klein auf verwöhnt oder sollte man lieber sagen verzogen wie eine kleine Prinzessin. Ihr Vater Hasso von Saldern besaß ein mittelständisches Unternehmen, Maschinenbau und Autozulieferer. Aufgebaut von seinem Vater schon vor dem Krieg und bereits in jungen Jahren von ihm übernommen. Der Vater Hasso von Salderns starb bei einem Autounfall, als er selbst als Firmenerbe gerade mal Ende zwanzig war. Dorothee hatte zu ihrem Vater keinen großen Bezug. Wie auch? Er verließ das Haus, eine alte, seit Generationen im Familienbesitz befindliche Gründerzeit-Villa mit Seeufergrundstück am Starnberger See, immer sehr früh und kam erst nach Hause, wenn sie als Kind schon geschlafen hatte. Hin und wieder frühstückten sie am Wochenende mal gemeinsam oder verbrachten ein paar Tage in ihrem Ferienhaus aus Sylt. Sie hasste diese Wochenenden und das Haus auf Sylt. Sie schien gefangen in der Welt ihrer Eltern. Eigentlich hasste sie ihr ganzes bisheriges Leben. Sie hatte schon mehrmals versucht, aus dieser Welt auszubrechen. Es gelang ihr nie. Mit der Zeit hatte sie sich damit abgefunden und machte es sich zurecht in ihrer Luxus-Komfortzone. Mittlerweile war sie eine wahre Meisterin darin zu leben wie eine echte Prinzessin. Irgendwie schien es ihr auch zu gefallen. Sie hatte inzwischen eine eigene Penthouse-Wohnung in der Münchner Altstadt, 220 Quadratmeter mit großer Dachterrasse. Ihr Vater hatte sie ihr zum vierundzwanzigsten Geburtstag geschenkt. Er hielt anschließend vor den Geburtstagsgästen noch einen endlos langen Monolog darüber, wie schwer es gewesen sei, so eine Traumwohnung überhaupt zu finden. Vom Preis dafür ganz zu schweigen. Natürlich erwähnte er noch beiläufig, dass das Penthouse nicht nur allererste Lage sei, sondern so ein Schmuckstück auch unter vier Millionen Euro nicht zu haben wäre. Sie nahm damals die Schlüssel in Empfang und drückte ihm nur ein flüchtiges Küsschen dafür auf die Wange. Seit dieser Zeit wohnte sie in ihrem goldenen Gefängnis, wie sie ihre Wohnung nannte. Finanziell abgesichert durch eine monatliche Apanage in Form einer American Express Karte ohne Limit. Egal wie stark sie die Karte glühen ließ, und sie glühte fast immer auf Höchststufe, von ihrem Vater kam nie eine Reaktion darauf. Warum auch sollte es ihn kümmern, wie viel Geld sie ausgab oder besser gesagt verschwendete. Er hatte sich nie wirklich um sie gekümmert, wahrscheinlich war er froh, seine Ruhe zu haben. Sie hatte es einige Male bewusst übertrieben. Es sollte ein Test werden. Vor etwa einem Jahr hatte sie sich damit mal einen Porsche gekauft für knapp 150.000 Euro. Es funktionierte problemlos, weil man ihren Vater ja kannte. Dessen Reaktion darauf war nur der Spruch: „Wenn er dir gefällt, Prinzessin.“ Den Porsche hatte sie nach vier Wochen wieder verkauft, ohne auch nur einmal damit gefahren zu sein. Zu ihrer Mutter hatte Dorothee ein sehr ambivalentes Verhältnis. Sie liebte sie, weil sie immer für sie da war und weil man seine Mutter eben liebte. Andererseits hasste sie sie dafür, dass sie nie aufmuckte. Sie war die klassische Ehefrau eines Unternehmers der alten Schule.
Dorothee schnappte sich ihre Hermès-Tasche, drückte ihrer Mutter ein Küsschen auf die Wange und verließ die elterliche Villa. Früher hatte sie oft ein schlechtes Gewissen dabei gehabt, ihre Mutter einfach so stehen zu lassen. Mittlerweile war das alles nicht mehr da. Sie hatte sich eingerichtet in ihrer eigenen Welt. Dass diese Welt nichts anderes war als eine Blaupause der Welt ihrer Eltern, realisierte sie nicht mehr. Sie drückte die Fernbedienung zu ihrem kleinen BMW-Cabrio, stieg ein und fuhr los, ohne sich nochmals umzudrehen. Ihre Mutter stand wie immer in der breiten Eingangstüre und winkte ihr hinterher. Sie drückte auf den Touchscreen in ihrem BMW auf Telefon, Kontakte und dann auf Amelie. Amelie war quasi ihre beste Freundin. Gleiches Alter und wie sie ein Kind aus reichem Hause. Sie kannte die Welt, in der Dorothee aufwuchs und lebte. Es war auch die Ihre.
>>Hallo, Prinzessin. Ich dachte, du bist heute Abend bei deinen Alten? Hattest du wieder Stress mit deinem Vater?<<
>>Schön wäre es gewesen. Er war wie immer noch nicht da. Meeting blablabla. Du kennst das ja von deinem Alten. Hast du heut Abend Zeit und Bock auf ein bisschen Männer ärgern?<< Männer ärgern, wie sie es nannten, war eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen. Sie stylten sich dann immer bis zum Gehtnichtmehr und zogen durch die Clubs in München. Passende Opfer waren dort schnell gefunden. Sie gingen jedoch nicht in die üblichen Schickimicki-Clubs, sondern eher in die Proletenschuppen, wie sie dazu sagten. Es bereitete ihnen eine fast schon diabolische Freude, die sogenannten Normalos heißzumachen und dann abblitzen zu lassen. Manchmal, wenn sie bockig waren und einer besonders interessant war und auch noch gut aussah, nahmen sie ihn mit und er durfte mal kurz drüber, im Auto oder in einem dunklen Hauseingang. Sie liebten diesen Kitzel, und vor allem liebten sie die Macht, die sie dabei hatten.
>>Ja, logo, Prinzessin. Bist du schon zu Hause? Holst du mich ab oder wollen wir uns irgendwo treffen?<<
>>Ich bin gerade auf dem Nachhauseweg. So in einer Stunde bei mir? Schaffst du das? Ich habe keine Lust, Auto zu fahren, wir nehmen uns ein Taxi. Ich muss mich heute besaufen.<<
>>Bingo, meine Liebe. Ich bin dabei. Mit oder ohne Happy End heute? Du hast doch auch schon lange nicht mehr, oder ist mir da was entgangen?<<
>>Mal schauen, was sich so ergibt. Zur Not halte ich es schon noch einige Zeit aus. Außerdem hat mir der liebe Gott ja zwei gesunde Hände geschenkt.<< Sie lachte laut ins Telefon. Amelie kicherte zurück
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